"Auf dem Weg zur Klasse L" |
||||||
Am
ersten Juniwochenende fand der Dressurlehrgang unter der Leitung von Herrn
Dr. Sascha Brückner auf der Anlage der Pferdepension Lutzenberger statt.
Für die Organisation hatten sich die Reitgemeinschaft Ahrensfelde und
unser Verein zusammen getan.
Begonnen haben wir mit einer Theorieeinheit unter dem Titel "Funktionelle Anatomie". Hier bekamen die zumeist jugendlichen Teilnehmerinnen eine anschauliche Demonstration über den Sinn unserer klassischen Ausbildungslehre und die Zusammenhänge zwischen Einwirkung des Reiters und der Bewegung und Reaktion des Pferdes und damit der Qualität aller Lektionen. Was ist eigentlich das "Nackenband" und warum sollte ich seine Funktion kennen? Warum ist ein "Vorwärts-Abwärts" nur dann richtig, wenn sich der Winkel zwischen Ganasche und Unterhalsmuskel öffnet und was bewirkt dies auf die Dornfortsätze? Wie verändert sich die Mechanik der Bewegung des Pferdes bei korrekter Anlehnung? Und vor allem, welchen Einfluss hat die Hilfengebung des Reiters auf diese Zusammenhänge? Ein kompakter Stoff, der den teils erst 13 und 14 Jahre jungen Teilnehmerinnen serviert wurde. Die anschaulichen Bilder und die jugendgerechte Art des Vortrages haben dafür gesorgt, dass alle von dem Thema gefesselt waren und reichlich Anreiz zum Überdenken der eigenen Reiterei mitgenommen haben. Ein Vortrag, der gut in die Ausbildungsoffensive der FN passt und im Einklang mit der Veranstaltungsreihe "Besser reiten" mit Christoph Hess oder den Vortragsreihen von Dr. Gerd Heuschmann und Susanne Miesner zum Thema "Klassische Ausbildung versus Hyperflexion" steht. Auch diese Vorträge seien Interessierten ans Herz gelegt. |
||||||
Gespannte
Aufmerksamkeit bei der Theorieeinheit
|
||||||
Dr.
Sascha Brückner, früher selbst aktiv im Dressursport, ist neben
seiner beruflichen Tätigkeit als Jurist Reitsportrichter und Ausbilder.
Insbesondere die Basisarbeit an und mit der Jugend liegt ihm am Herzen.
Er findet, dass dies eine besonders lohnenswerte Aufgabe ist: Die Aufnahmefähigkeit,
der jugendliche Enthusiasmus und die Bereitschaft des Umdenkens motivieren
ihn insbesondere bei diesen Lehrgängen. "Ich freue mich immer,
wenn ich Lehrgangsteilnehmer später wieder sehe und erkenne, ob die
Arbeit erfolgreich war und Reiter und Pferde im Sinne unserer Ausbildungsrichtlinien
ein Stück vorangebracht hat." Eine Konstellation, die sicher nicht
immer einfach ist. Wir sind aber überzeugt, dass Dr. Brückner
mit der ihm eigenen Souveränität und Fairness diese Aufgabe meistert.
Nach der
Theorie erfolgte die Umsetzung in die Praxis. Der Lehrgang war ausgeschrieben
unter dem Motto "Auf dem Weg zur Klasse L" und so ritten die
Teilnehmerinnen die Aufgabe L5 und wurden dabei gefilmt. Es folgte eine
kurze Besprechung zu Höhen und Knackpunkten der Vorstellung. An diesen
wurde dann gearbeitet. Dabei wurde konsequent die Skala der Ausbildung
umgesetzt: Die Aktivität der Hinterhand durch zahlreiche Übergänge
und Tempiwechsel gefördert. Die Anlehnung verbessert, indem konsequent
immer wieder das Nachgeben und "Zügel aus der Hand kauen lassen"
eingefordert wurde. Auf jeden Ansatz, mit dem (inneren) Zügel starr
oder zu stark zu werden kam sofortige Korrektur. Viele Reiter erhielten
Anregungen für die eigene innere und äußere Losgelassenheit.
Sie mussten Bewegungsübungen beim Reiten von Lektionen machen oder
auch mal Denksportaufgaben dabei lösen, um Verspannungen aufgrund
von zu großem Ehrgeiz abzubauen. Auch bei diesen Korrekturen wurde
von fleißigen Helfern gefilmt. |
||||||
Dr.
Brückner gibt Erläuterungen an Janine Dassau
|
||||||
Am
Nachmittag haben wir die Videoaufnahmen dann gemeinsam angesehen und besprochen.
Dabei haben die Teilnehmer viele Hinweise erhalten, was Richter sehen wollen
und wie die Notenfindung erfolgt. Man kann sagen, dass nach der intensiven
Korrekturarbeit bei allen Teilnehmern die wiederholten Sequenzen aus der
Aufgabe qualitativ deutlich besser ausgefallen sind. Teilweise waren in
einzelnen Lektionen mehrere Noten Differenz.
Am folgenden
Tag vermochten es die Teilnehmer bereits, ihre Pferde nach den Anweisungen
des Vortages selber so abzureiten, dass die Basis für die Unterrichtseinheit
deutlich verbessert war. Die Stunde konnte daher sehr intensiv genutzt
werden und so manch Teilnehmerin verließ roten Kopfes, schweißnass
aber hochzufrieden die Halle. Dr. Brückner lobte denn auch ausdrücklich
das Niveau der Reiterinnen und die Vorarbeit der häuslichen Ausbilder.
Andrea Grondys, Martina Hübscher und Olaf Tödt waren sich denn
auch nicht zu schade, den Lehrgang ihrer Schülerinnen zu verfolgen
und in Dialog mit Herrn Dr. Brückner über die weitere Ausbildung
zu treten. |
||||||
Das
Lösen erfolgte am zweiten Tag sehr selbständig: Mitja Meier
|
||||||
Ich
habe mir alle Unterrichtseinheiten als Zuschauerin angesehen. Neben den
teils beachtlichen Unterschieden in der Geschmeidigkeit des Sitzes und der
Feinheit der Einwirkung fiel mir am meisten auf, dass viele Pferde erheblich
zufriedener gingen. Sie waren natürlicher in ihrer Ausstrahlung, entspannter
in der Anlehnung und deutlich verbessert in der Mechanik und Qualität
der Bewegung, jedes auf dem Niveau seiner natürlichen Veranlagung.
Sicher haben auch die Teilnehmerinnen viel lernen und erfühlen können. Gerade die Sicht von unten als Zuschauer sollte aber Anlass zu etlichen Gedanken und Zweifeln an Realitäten des Reitsportes geben. Jeder kennt sie, die Bilder von riegelnden Reitern, die mit Hilfe von Grobheit oder Hilfszügeln ihre Pferde in Anlehnungsformen zwingen, die mit Sicherheit kontraproduktiv und in einigen Fällen auch tierschutzwidrig sind. Fehler gibt es aber nicht nur unter den Reitern. Auch auf Turnieren wundert man sich über manch Richterurteil, in dessen Rangierung dann doch die Pferde vorne landen, die bei absoluter Aufrichtung mit festem Genick und Rücken nur noch "strampeln" können. Die Einleitung
von Dr. Brückner war ein Zitat von Udo Bürger (aus dem Buch
"Vollendete Reitkunst" aus dem Jahre 1959): |
||||||
Misst
man die Jünger der Reitkunst vergleichend mit demselben Maßstab
wie die Jünger der Malerei, so haben wir
die Liebhaber - auch Amateure genannt -, welche die Kunst nur zu ihrem eigenen Vergnügen ausüben, die ernsten Studiosi, die zäh an ihrer Ausbildung arbeiten und den dornenvollen Weg zur Höhe der Kunst erkannt haben, die Berufstätigen, bei denen die Kunst nach Brot gehen muss, womit dem Streben nach Vollendung oft Fesseln angelegt sind, die wahren schaffenden Künstler, die ihr Werk formen und bis zur Vollkommenheit bringen. Es gibt auch Kopisten, die das Werk eines anderen reproduzieren, es aber nicht selbst formen könnten - bei Reitern sehr häufig - und gute Sachverständige, welche aber selbst die Kunst nicht ausüben. Und es gibt
das große Heer der selbstzufriedenen Dilettanten, die ihr
Tun schön finden und niemals begreifen, worum es geht. |
||||||
Es
gibt sie, die Reiter, die im Sinne der "Studiosi" ihre Pferde
ausbilden und reiten wollen, die Ausbilder, die ihre Schüler anleiten,
diesen Weg zu finden und auch die Richter, die nach diesen Kriterien Prüfungen
beurteilen. Hoffen wir, dass Lehrgänge dieser Art auf fruchtbaren Boden
fallen und Multiplikatoren schaffen, die dieses Streben weiter verfolgen.
Wir danken Herrn Dr. Brückner für diesen tollen Lehrgang und haben bereits eine Fortsetzung im Oktober in Planung. Die Ausschreibung wird rechtzeitig auf dieser Seite veröffentlicht werden. Karen Meyer |
||||||